Bergwanderung Ritomsee – Oberalppass vom 20./21. Juli 2019



Frohen Mutes auf das bevorstehende Wochenende besteigen am Samstag früh sechs Alpenclub-Mitglieder und zwei Gäste am Bahnhof Pfungen den Zug Richtung Bülach. Nach viermal umsteigen und gut drei Stunden später treffen wir in Ambri-Piotta ein. Es folgt ein zügiger Fussmarsch zur Standseilbahn. Locker lassen wir uns mit der Bahn die steilen 770 Höhenmeter nach Piora hinauftragen und mit anschliessendem kurzen Fussmarsch erreichen wir den Ritomsee.
Zuerst folgen wir dem Ufer links um den See und zweigen ab Richtung „Alpe Tom“, direkt am Lago di Tom liegend. Die ersten Murmeltier-Warnschreie sind nicht zu überhören. Das eine oder andere Augenpaar hat die putzigen Tierchen sogar gesichtet. Links und rechts des Wanderweges kann die vielfältige und wunderschöne Alpenflora bewundert werden. Weiter oben ein ganzer Hang mit rot leuchtenden Alpenrosen. Unsere Mittagspause machen wir beim ersten Tanedaseeli. Im Seeli wimmelt es von Kaulquappen und sogar noch von Froschlaichen, aber auch einige tote Frösche sind zu sehen. Bruno gelingt es, einen schwarzen Salamander aus dem Wasser zu fischen, welchen er selbstverständlich nach unserem Bestaunen wieder ins Wasser in die Freiheit entlässt.

Kurz nach der Mittagsrast passieren wir das zweite Tanedaseeli. Das Ufer zum Berg ist noch recht mit Schnee bedeckt. Die Schneehöhe lässt vermuten, dass hier eine Schneelawine zum See niedergegangen ist. Der Wanderweg führt uns weiter hinauf zum Lago di Scuro. Auf dem Plateau angekommen, stellen wir verwundert fest, wie viel Schnee auf dieser Höhe für die zweite Julihälfte noch liegt. Der See ist mit einer teilweise noch hohen Schneedecke umrandet, wie in einer Märchenlandschaft. Nahe am See rasten wir, natürlich auf schneefreiem Boden, geniessen die Stille und das wunderschöne Landschaftsbild. In der Senke Richtung Lukmanierpass weidet eine grosse Herde Yaks, aus der Distanz sehen sie aus, wie in der Gegend liegende schwarze Steine.
René und Oskar besteigen mit mir trotz der nicht optimalen Sicht den Pizzo Taneda. Die Bewölkung lässt leider keine Fernsicht zu und vorbeiziehende Nebelfetzen verhindern zwischendurch sogar die Sicht auf die Ebene hinunter. Trotzdem, so finden wir, der Trip zum Gipfel Taneda hat sich gelohnt. Nach dem Abstieg folgen wir den Anderen, welche bereits zur Cadlimohütte vorausgegangen sind. Die Hütte ist im Blickwinkel und Spuren im Schnee verraten, wo es am besten entlang geht. Kurz vor der Hütte liegt rechts der Lago di Dendro, selbstverständlich ebenfalls mit Schnee umrandet.

Nach dem Einrichten im Schlafsaal und etwas frisch machen folgt das gemeinsame Nachtessen. Eine Überraschung für Fleischliebhaber: Das Menu ist fleischlos, ein feines Safranrisotto mit Steinpilzen. Auch die Steinböcke treffen pünktlich zum Znacht ein, angelockt durch den vom Hüttenwart platzierten Gleckstein auf einem Felsen vor der Hütte.

Sonntagmorgen um halb sieben ist Tagwacht. Vor der Hütte begrüsst uns eine Herde Steinböcke. Oder präsentieren sie sich zum Fotografieren?
Unser Standort liegt zwischen zwei Wetterlagen: gegen Süden ist der Himmel schon recht heiter und gegen Norden hängen immer noch die dichten Wolken, sicherlich vom Regen in der vergangenen Nacht. Nach nochmaliger Erkundigung beim Hüttenwart betreffend Durchführung Gratweg sollte dies jedoch kein Problem darstellen, auch wenn noch ein paar Regentropfen fallen würden. Der Grat selber ist schneefrei, schneebedeckt ist das flache Terrain vor dem letzten Aufstieg zum Punkt 2872.
Die Gruppe wurde dementsprechend geteilt. Anne wandert mit Kurt auf dem Bergweg zuerst abwärts zum Punkt 2340 und danach wieder hoch zum Bornengopass. Der Rest folgt mit mir über den Grat.
Kurz nach dem Start wollte ich auf dem schneebedeckten Bergweg den Fussspuren folgend den steilen Hang queren. Petro hat jedoch eine Altarnativ-Route gesehen, nämlich einen Umweg über das Felsbödeli, was sich als eine bessere Variante erwiesen hat. Der markierte Weg ist unter diesen Umständen nicht immer der Beste.
Auf dem Punkt 2872 angekommen, spüren wir tatsächlich ein paar wenige Regentropfen, jedoch nur kurz und kaum wahrnehmbar. Der Blick zum Oberalppass zeigt, dass sich dort ein letzter Gewitterregen entladen hat. Trotz Bewölkung im Norden präsentiert sich uns ein fantastisches Bergpanorama. Gegen Westen hebt sich der Piz Borel, und, dahinter, der Piz Ravetsch vom übrigen Massiv ab, darunterliegend der Rest des Maighelsgletschers.

Nach einer kurzen Pause machen wir uns zum Abstieg über den Gratweg Richtung Bornengopass. Dort treffen wir wieder auf Anne und Kurt. Sie haben ca. fünf Minuten vorher den Pass erreicht. Obwohl der Aufstieg zum Pass mit Schnee bedeckt ist, haben sie diesen ohne Probleme gemeistert. In der Zwischenzeit gewinnt das schöne Wetter vom Süden immer mehr die Oberhand und die Sonne heizt die frische Bergluft angenehm auf.
Selbstverständlich ist auch der Abstieg ins Maighelstal schneebedeckt, für unsere Knie ein schonender Abgang. Unterhalb des Bornengopasses verzaubert der Schnee auch auf dieser Seite die Ebene vor dem Maighelspass mit den Seeli in eine Winter-Märchenlandschaft. Etwas weiter unten schlängelt sich der Weg mitten durch eine Steinmännchen-Stadt. Petro und René haben mit einem zerfallenen Steinmännchen Erbarmen. Ihre künstlerischen Hände liessen kurz entschlossen das ruinierte Steinmännchen wieder zu einem Meisterwerk auferstehen.
Der Wanderweg führt sanft abwärts durch das Maighelstal, zur rechten Seite entlang dem rauschenden Maighelsbächlein, gespiesen vom Schmelzwasser. Immer wieder werden Schneefelder überquert und x-mal ertönt es: „Dies sei das Letzte“. Kaum ausgesprochen, kommt das Nächste zum Vorschein. Bei Punkt 2278 erblicken wir die Wasserfälle vom Maighelsbach. Die mächtigen Wassermassen haben das Gestein richtig ausgewaschen.

Die Mittagspause halten wir bei der Abzweigung zum Tumasee. Nach dem Mittag werden wieder zwei Gruppen gebildet. Pedro, Bruno und Angela wählen mit Kurt den direkten Weg zum Oberalppass. Während René, Oskar und Anne mit mir sich für den Umweg über den Tumasee entscheiden, zur Quelle des Rheins. Kurz vor dem Tumasee hat der unter einer ca. zehn Meter langen Schneedecke fliessende Rheinbach beim Austritt eine tunnelartige Wölbung gebildet, sieht spektakulär aus.
Der See liegt eingebettet um Berggipfel, wie dem Piz Tuma und Badus. Zusammen bildet dies eine wunderschöne, idyllische Berglandschaft. Wir gönnen unseren Füssen ein wohltuendes Bad im eiskalten Wasser. Nicht so René, er gibt sich mit einem Fussbad nicht zufrieden und nimmt nach kurzer Überlegung tatsächlich ein Vollbad, wenn auch nur sekundenlang.
Nach dem See schlängelt sich der Weg am linken Hang entlang abwärts Richtung Oberalppass. Links und rechts bemerken wir, dass wir wieder tiefere Lagen erreichen: Es blüht wunderbar, unter anderem ein ganzer Hang voller Türkenbund. Auch hat uns die Zivilisation wieder eingeholt: Motorenlärm, kommend vom Oberalppass.

Im Restaurant Alp Su treffen wir Kurt mit Peter, Bruno und Angela. Sie verweilen bereits seit über einer Stunde hier. Zu diskutieren gibt auch die neue Bahn zum Schneehüenderstock mit dem gleichlautenden Namen. Die spontane Idee von Anne, den Kaffee beim Schneehüenderstock einzunehmen, veranlasst uns, nach sofortiger Bezahlung der Getränke und Desserts hektisch aufzubrechen. Aber oje, bei der Bahn angekommen, müssen wir feststellen, dass die Betriebszeiten nur bis 16.00 Uhr sind. Einige verweilen für die Restzeit am Ufer des Oberalpsees, die Anderen genehmigen sich den Kaffee im Restaurant Piz Calmot, beim Bahnhof. Die überaus lustige Frisur der Servierdame veranlasst Oskar zu der gewagten Frage, ob dies die offiziell vorgeschriebene Schneehüenderstockfrisur sei. Ihre Antwort „kein Kommentar“ lässt vermuten, dass sie die Frage nicht sehr originell empfunden hat.
Mit lediglich dreimal Umsteigen erreichen wir wohlbehalten Pfungen. Obwohl nicht immer Sonnenschein, musste der Regenschutz nie ausgepackt werden.
Wir haben zusammen ein erlebnisreiches Wochenende verbracht und an dieser Stelle gebührt von meiner Seite ein herzliches Dankschön an die stets aufgestellten Teilnehmer. Danke auch für das Verständnis, nicht den um eine Stunde früheren Zug genommen zu haben.

Die Tourenleiterin: Irene Modena