Bericht Suonenwanderung

Beim Beschreiten der Holzbalken, die an den Felsen vielfach noch mittels einer bewährten althergebrachten Technik aufgehängt sind, wird es nur noch schwindelerregend. Die Suonen des Wallis sind Zeugen der Geschichte, der Kultur und der Zivilisation. Kanäle in den Boden gegraben, in die Felswand gehauen oder ausgehöhlte Baumstämme daran aufgehängt, symbolisieren die früheren Bemühungen der Walliser, sich vor den Folgen der Trockenheit zu schützen und die Möglichkeit zu haben, die Felder zu bewässern. Das Wasser wird an Bach- und Flussläufen gefasst und mit Hilfe der „Holz- und Steinkännel" zu den Kulturflächen geleitet. Heutzutage werden die Suonen vorwiegend noch für die Wiesen-Berieselungsanlagen benutzt, andererseits sind sie von grossem touristischen Wert. 561 Suonen (man nennt sie auch „Bissen") sind bekannt (Quelle: Verein Walliser Suonen).

Bei strahlendem Sonnenschein steigen wir, vierzehn Üsserschwyzer, von Ausserberg bergwärts, vorbei an einem lieblichen Weiler mit echten Stadeln, ein Stück den Lowigraben entlang, direkt zur Niwärch-Suone. Selbstverständlich erst nach einem Startkaffee im Hotel Bahnhof. Komischerweise bestellen die meisten einen Milchkaffee. Schmunzelnd meint die Wirtin in herrlichem Dialekt: „Eis Glick das ich mini Chüe hit Morgä scho gemolchä hän!

Nach 330 Höhenmetern erreichen wir das Niveau der Suone. Wir folgen dem Wasserlauf durch abwechslungsreiches Gelände und Wald bis Choruderri. Noch ein kurzes Stückchen im Wald, dann stehen wir beim Einstieg in die Felsenpassagen. Diese Suone zählt zu den Spektakulärsten ihrer Art. Schmale, ausgesetzte Pfade in steilem Felsengelände wechseln sich ab mit in den Fels verankerten Holzkanälen, wo parallel dazu ein nur fussbreites Brett als Gehweg dient. Mit Bedauern, doch der Sicherheit zuliebe verzichten wir auf die Begehung dieser Strecke. Es ist nicht auszumachen, ob noch Schneereste und glitschige, nasse Stellen in den Schattenlagen vorhanden sind und diverse Warntafeln mahnen zur Vernunft. Immerhin liegen im Gelände noch deutliche Reste vom ersten Schneefall dieses Herbstes. Der ungefährliche Weg durch den Tunnel erspart uns heikle Situationen, bietet dafür auch keinen Nervenkitzel. Im Tunnel gurgelt im offenen Kanal glasklares Bergwasser. Bald sind wir in Ze Steinu am eigentlichen Beginn der Suone. Hier wird das Wasser des Baltschiederbaches in einem ausgeklügelten System gefasst. Derzeit ist die Umgebung eine Baustelle, da eine neue Schöpfe für die Gorperi-Suone gebaut wird. Bei der Mittagsrast überraschen uns Burgi und Karin mit kühlem Weisswein, Käse und Früchtebrot. Markus hat sich als Sherpa betätigt und diese Köstlichkeiten für uns hinaufgetragen. Allen Drei herzlichen Dank. Für den Rückweg wählen wir die 1640 erbaute Groperi-Suone. Wasserrinnen und Wanderweg verlaufen hier grösstenteils im Gelände, und die luftigen Passagen wurden durch Tunnels ersetzt. Auf ca.15 Metern wurde ein Wasserkännel mit der dazugehörigen Traverse, dem Holzsteg, aussen an der senkrechten Felswand restauriert und begehbar gemacht. Es braucht schon etwas Mut, auf dem schmalen Brett zu gehen, darunter lediglich Luft und die senkrecht abfallende Steilwand zu wissen. Zum Festhalten dient ein Seil als Handlauf. Einige lassen sich dieses Erlebnis nicht entgehen. Wer weniger Wert auf einen Adrenalinschub legt, kann diese Passage durch einen kleinen Tunnel umgehen. Immer wieder lohnt sich ein Blick auf die gegenüberliegende Talseite, in die Tiefe, ins hinterste Baltschiedertal und auf die Viertausender vor uns.

Die Sicht auf den frischverschneiten Balfrien und die Mischabelgruppe begleitet uns den ganzen Tag. Unterwegs treffen wir auch auf einen, von einem kleinen Wasserrad betrieben Schlegel, der mit seinen Klopfzeichen der Überwachung der Suone dient. Dem sprudelnden Wasserlauf der Groperi entlang, wandern wir im felsigen Gelände und durch lichten Wald dem Ende unserer wunderschönen, lehrreichen Tour entgegen. Ausnahmslos wird das Erlebnis mit Begeisterung kommentiert. Im Cafe Egga in Eggerberg weht uns der Wind um die Ohren und entführt der Wirtin die Rechnung in die Luft. Sie nimmt es gelassen und schaltet sofort auf Kopfrechnen um. Zum Abschied erfahren wir nochmals etwas Wissenswertes: Laut einer Studie der Uni Lausanne blasen um Eggerberg jeweils fünf verschiedene Winde. Frau Wirtin kann sie nicht alle mit Namen benennen. Beweis sei jeweils ihre Frisur, sie zeige bei jedem Wind ein anderes Bild! Wie am Morgen bei der Hinfahrt versprochen, holt uns der freundliche Postautochauffeur direkt vor dem Beizli ab. Sehr interessiert hört er sich unseren Erlebnisbericht an.

Einen grossen Dank an Burgi und Karin für die umsichtige Tourenleitung. Wir sind begeistert!

Ruth Mühle